Vertreterinnen und Vertreter aus Stadtplanung, Architektur, Forschung und Kultur haben am 2. Dezember in Wiesbaden über das Leitbild der produktiven Stadt diskutiert. Der DesignDialog des Stadtmuseums sam versammelte im Haus der Architekten ein volles Publikum und brachte Fachleute sowie Bürgerinnen und Bürger in einen fachlichen Austausch über die künftige Entwicklung der Innenstadt.
Diskussion und Beteiligte
Die Veranstaltung wurde von Andrea Jürges, stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, moderiert. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Torsten Becker vom Vorstand der Architektenkammer Hessen und Sabine Philipp, Direktorin des sam. Auf dem Podium saßen unter anderem Francesca Ferguson, Stadtforscherin und Leiterin der Berliner Initiative Make_Shift, Constanze Paffrath, Abteilungsleiterin Städtebau im Stadtplanungsamt Wiesbaden, sowie der Architekt und Hochschullehrer Philipp Krass.
Was unter produktiver Stadt verstanden wird
Im Zentrum der Debatte stand die Idee, Arbeiten und Wohnen wieder stärker zu mischen, um Innenstädte jenseits reiner Konsumfunktionen zu beleben. Als konkrete Maßnahmen wurden das Öffnen von Erdgeschossen und Innenhöfen für Kleingewerbe, die Nutzung von Leerständen und flexible Zwischennutzungen wie Pop up Leases genannt. Argumentiert wurde, kürzere Wege und kleinteilige Produktion könnten Quartiere resilienter machen und soziale Durchmischung fördern.
Francesca Ferguson bezeichnete die produktive Stadt als Antwort auf mehrere gleichzeitig auftretende Probleme. Sie sagte, die produktive Stadt sei notwendig als Reaktion auf den Mangel an Fachkräften im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus den Innenstädten und die fehlende nachhaltige urbane Nahrungsmittelproduktion. Ferguson plädierte dafür, Leerstände gezielt zu aktivieren und mit klar verhandelten Nutzungen Handwerk und Kleingewerbe wieder ins Zentrum zu bringen.
Positionen aus Planung und Architektur
Aus kommunaler Sicht nannte Constanze Paffrath die europäische Stadt als Leitbild. Ihrer Auffassung nach ist die größte Herausforderung, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die ein gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen. Die Stadtplanung müsse dabei sowohl soziale als auch ökologische Aspekte berücksichtigen.
Philipp Krass betonte, Innenstädte und Randbereiche müssten sich grundlegend anpassen. Er sagte, neue Mischungen würden nötig und möglich sein und prognostizierte einen Rückgang der alleinigen Handelsorientierung. Bildung, Kultur und verträgliche Produktion könnten die entstehenden Lücken füllen, und in Wohnquartieren werde künftig zumindest zeitweise auch gearbeitet, was neue Anforderungen an das Wohnumfeld stelle. Zugleich seien stärkere Anpassungen an den Klimawandel notwendig, die Städte grüner machen würden.
Torsten Becker verwies auf die Rolle der Planung und auf die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit. Er betonte, gute Planung schaffe Akzeptanz und trage dazu bei, politische Ziele zu vermitteln. Er sagte, Innenstadtplanung sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur im Netzwerk verschiedener Akteurinnen und Akteure gelingen könne.
Folgen für Wiesbaden und Ausblick
Die Diskussion richtete sich auch konkret auf Wiesbaden: Fragen von Leerstandsbewirtschaftung, der Rolle des Handwerks und der Entwicklung klimafreundlicher Quartiere standen zur Debatte. Das sam sieht sich dabei nicht nur als Erinnerungseinrichtung, sondern als Ort, der Impulse für die Zukunft setzen kann. Sabine Philipp erklärte, als aktuelles Stadtmuseum wolle man nicht nur auf die Vergangenheit blicken, sondern auch Impulse für das Morgen setzen und einen Vierten Raum für Austausch und Ideenbildung schaffen.
Der DesignDialog wurde in diesem Jahr als gelabeltes Projekt der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain geführt. Die Veranstalterinnen kündigten an, dass der Dialog 2026 fortgeführt wird: Im ehemaligen Sportscheck Gebäude in der Langgasse soll das Erdgeschoss von Mai bis Ende Oktober in einen Vierten Ort verwandelt werden, an dem Projekte der WDC 2026 vorgestellt und Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung eingeladen werden.
Das große Interesse an der Veranstaltung zeigt, dass die produktive Stadt in Wiesbaden als planerische wie als soziale Aufgabe verstanden wird. Die Debatte verband praktischen Gestaltungswillen mit Fragen zu sozialer Gerechtigkeit, Klimaanpassung und dem Erhalt kleinteiliger urbaner Wirtschaften.
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