In der Corniceliusstraße 12 in Hanau erinnert seit wenigen Tagen eine grüne Gedenktafel mit Foto und kurzem Text an die jüdische Familie Koref. Die Tafel macht die Geschichte einer Familie sichtbar, die bis 1938 in dem Haus lebte, dort Opfer eines gewaltsamen Überfalls wurde und später im Ghetto Theresienstadt ums Leben kam.
Enthüllung und Dokumentation
Die Tafel wurde offiziell von Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck enthüllt. Rund 30 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil, darunter Oliver Dainow von der Jüdischen Gemeinde Hanau sowie zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner. Kaminsky sagte: “Wir sind heute hier, um an Menschen zu erinnern, die während der NS‑Diktatur entrechtet und verfolgt wurden.” Er dankte den Beteiligten, die sich für die Bewahrung der Erinnerung eingesetzt hätten.
Martin Hoppe, Fachbereichsleiter Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen, las Auszüge aus den Prozessakten von 1940 vor. Die Dokumente beschreiben, wie fünf Täter in die Wohnung von Rechtsanwalt Dr. Leo Koref und seiner Mutter Recha eindrangen, die beiden misshandelten, beraubten und die Wohnung verwüsteten. Die Männer wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt; für die Überlebenden kam die Strafe jedoch zu spät: Recha und Leo Koref starben 1942 in Theresienstadt.
Leben, berufliche Laufbahn und Verfolgung der Korefs
Die Tafel informiert über die familiären und beruflichen Hintergründe: Die Familie Koref stammte ursprünglich aus Rawitsch (Posen) und ließ sich 1884 in Hanau nieder, nachdem Dr. Markus Koref das Amt des Provinzialrabbiners übernommen hatte. Nach seinem Tod erwarb die Familie das Haus in der Corniceliusstraße 12. Dort lebten die Rabbinerwitwe Recha Koref und ihre acht Kinder, darunter ihr Sohn Leo.
Leo Koref, geboren 1876, promovierte 1898, wurde 1903 als Rechtsanwalt beim Landgericht Hanau zugelassen und 1920 zum Notar bestellt. Seine Kanzlei befand sich zunächst am Marktplatz 15; er war in jüdischen Gemeindegremien aktiv und verfasste juristisch‑historische Arbeiten. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme setzte seine Entrechtung ein: Am 7. Juni 1933 verlor er das Notaramt, 1938 wurde ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Danach durfte er nur noch als „Rechtskonsulent für Juden“ tätig sein und arbeitete von der Corniceliusstraße 12 aus.
In der Reichspogromnacht drangen am Abend des 13. November 1938 maskierte und mit Schusswaffen ausgestattete Nationalsozialisten in das Haus ein, verwüsteten die Wohnung und misshandelten die Bewohner. Im April 1939 zog Dr. Koref nach Frankfurt, seine Mutter hatte bereits zuvor die Stadt verlassen. Am 18. August 1942 wurden beide aus Einrichtungen in Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt deportiert; das Vermögen der Familie wurde beschlagnahmt. Recha Koref starb am 1. September 1942, Dr. Leo Koref am 17. Oktober 1942.
Städtisches Erinnerungsprojekt
Die sogenannten Grünen Tafeln, die an Orte und Personen der städtischen Geschichte erinnern, entstanden im Zuge des 675‑jährigen Jubiläums der Hanauer Altstadt. Mittlerweile gibt es nach Angaben der Stadt mehr als 100 Tafeln, die lokalgeschichtliche Informationen zugänglich machen sollen. Die Patenschaft für die Tafel an der Corniceliusstraße 12 liegt bei Hanauer Bürgerinnen und Bürgern; das auf der Tafel verwendete Foto zeigt Dr. Leo Koref an seinem 50. Geburtstag (1926) und stammt aus dem Archiv des Hanauer Geschichtsvereins.
Die Gedenktafel dokumentiert damit lokal häufig unbekannte Einzelschicksale der NS‑Verfolgung und ist Teil eines kommunalen Erinnerungsprogramms, das biografische Details wie Herkunft, berufliche Stationen, Verfolgung, Deportation und Tod zusammenführt.
Quelle anzeigen
Auch interessant:
- Wegen großer Nachfrage: Schloss Biebrich wiederholt Mascha Schilinskis Film „In die Sonne schauen“
- Vor dem Weihnachtsmarkt: Hanau bietet vier Tage mit Konzerten, Führungen und Märkten
- Tattoos als Weg der Heilung: Die mutige Geschichte von Jessica und anderen Selbstverletzungs- Überlebenden im Projekt ‚Überwunden‘

